Wie man zukünftig arbeiten wird.
Seit der Corona-Krise arbeiten in der Schweiz 50% der Beschäftigten von zu Hause, im Vergleich zu 25% vorher. Auch nach der Krise wird der Trend zum Home-Office bleiben. Unternehmen sollten Maßnahmen ergreifen, um ihre Mitarbeiter ausreichend zu unterstützen, da die Arbeitsproduktivität der meisten Befragten nicht gesunken ist.
Das Homeoffice per se ist nicht eine «Errungenschaft» von Covid, welches unser Land im März 2020 offenbar unvorbereitet getroffen hat. Schon vorher gab es Pläne, die Mitarbeitenden zu motivieren, von zu Hause aus der Arbeit nachzugehen. Das immer schnellere Internet, die Onlinesitzungen, und die Pläne diverser Firmen, das Outsourcing der physischen Präsenz zu beschleunigen gab es schon vor Covid-19. Die Pandemie war für gewisse Firmen die Generalprobe, für viele andere jedoch führte es zu massiven Umstellungen. Das hat grundsätzlich die Einstellung der Wirtschaft zu «Homeoffice» oder Outsourcing, nachhaltig verändert.
Die Pharmaindustrie ist ein wichtiger Sektor in der Schweiz und benötigt eine intensive Zusammenarbeit in Forschung und Produktion. Wurde das Homeoffice zum Stolperstein im Arbeitsalltag?
Robert Ferraro arbeitet als Anwalt für die Pharmaindustrie in Basel. Er vertritt die Interessen der Firma La Roche im Ausland. Seine Arbeitsorte waren Dubai, Moskau und die USA. Er sitzt auf seinem Bürostuhl zuhause, eine Bücherwand hinter ihm:
«Ich würde sagen, im Großen und Ganzen hat das alles relativ gut bis sehr gut funktioniert», sagt er mit Bezug auf die vergangene Pandemie. Der Anwalt erklärt, man habe sich hauptsächlich mit Google-Apps wie Google Sheets, Google Chat und Google Meet organisiert, um die Kommunikation aufrechtzuerhalten und Videokonferenzen abzuhalten. In einigen Fällen wurde auch Zoom verwendet, insbesondere, wenn es um große Gruppen ging. Mit externen Arbeitern wurde hauptsächlich mit Microsoft Teams gearbeitet. Es mussten noch 1-2 Assistentinnen im Büro sein, um Post und Organisation abzuwickeln, und hin und wieder mussten Papiere unterschrieben werden, aber ansonsten wurde der Grossteil zuhause erledigt.
Die anreitzende Alternative
Die ruhige Arbeitsumgebung zu Hause führt dazu, dass viele Beschäftigte konzentrierter und produktiver arbeiten können als im Büro, was auch durch eine Umfrage von Deloitte Schweiz bestätigt wurde. Über 70% der Befragten gaben an, zu Hause effizienter oder genauso effizient arbeiten zu können wie im Büro, was auch zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit führen kann.
Die Umfrage zeigt auch, dass das Arbeiten von zu Hause aus zwar produktiver sein kann, aber auch Herausforderungen birgt. Fast die Hälfte der Befragten nennen die fehlende persönliche Interaktion als einen der größten Nachteile, während 20% sich isoliert fühlen und 16% keinen eigenen Arbeitsbereich haben. Die Befragten, die ihre Kinder zusätzlich betreuen müssen, sind tendenziell weniger produktiv, was nach der Wiedereröffnung der Schulen sich verbesserte.

Herr Ferraro ist der Meinung, dass das Homeoffice, soweit er es aus seiner Sicht beurteilen kann, ein grosser Vorteil für seinen Tätigkeitbereich ist. Er hält jedoch fest, dass in der Pharmaindustrie die Haupttätigkeit nicht im Büro und während Onlinekonferenzen stattfindet, sondern in der Forschung, den Labors und der Produktion. Schlussendlich lebt die Pharmaindustrie in Basel nicht von den Büros und Anwaltskanzleien, sondern von den Produkten, die weltweit verkauft werden.
Ein Homeoffice in diesen Bereichen ist faktisch unmöglich.
Herr Ferraro hält fest: «Im Endeffekt heißt es, du hast mehr Zeit für dich selbst, für die Familie! Wie gesagt, es fällt relativ viel weg. Der Arbeitsweg, die Pausen im Büro, die Bürobesuche, man arbeitet ungestörter und intensiver.»
Trotz der Vorteile die die Familiennähe mit sich gebracht hat, musste auch Herr Ferraro zugeben, dass die wochenlange Abwesenheit vom Büro einige negative Aspekte gezeigt hat. Er hat es vermisst, mit Kollegen an der Kaffeemaschine zu schwatzen. « Was sicherlich teilweise gefehlt hat, war das Spontane, […] das Zwischenmenschliche, die sozialen Interaktionen.», erzählt er mit etwas Nostalgie.
Roche: „Die Mitarbeiter haben die Möglichkeit, 2-3 Home-Office-Tage zu absolvieren, während der Rest im Büro verbracht wird.“
- Stellungsnahme von Roche, angefragt von Entourage
Herr Roman Arvai, Analytiker und Qualitätsmanager der Roche-Gruppe erklärt, dass die Pharmabranche schon längst einen Notfallplan hatte. Die Pandemie hat diesen nicht in die Wege geleitet, sondern viel mehr fungierte die Pandemie als Generalprobe. So zu sagen präzise Weichenstellungen, die für das Funktionieren der Branche notwendig sind und schnelle alternative Lösungen, die bereitgestellt werden können.
Der Businessplan “Recovery from Disaster” ermöglicht es der Branche, sich schnell an die veränderten Bedingungen anzupassen und alternative Dienstleistungen bereitzustellen, um die Versorgung von Patienten aufrechtzuerhalten. «Die Pharmaindustrie hatte diesen Plan bereits vor der Pandemie, jedoch ermöglichte erst letztere, seine Umsetzung zu testen, und er hat sich als wirksam erwiesen!», so Herr Arvai.
Dennoch hat sich auch gezeigt, dass ganz banale Mittel wie Dafalgan fehlten. Die ganze Produktion wurde aus Kostendruck, Politik und gesundheitswirtschaftlichen Überlegungen ins Ausland verlagert. Somit fehlten essenzielle Teile der Medikation in dieser Krisensituation, respektive sind die Reserven auf ein kritisches Minimum geschrumpft. Herr Arvai betont, dass die Pharmaindustrie sich auf ein Modell zubewegt, bei dem die Verwaltung, Juristerei und das Projektmanagement in der Schweiz durchgeführt werden. Jedoch werden aus Kostengründen die Aufgaben, welche für die Durchführung der Projekte erforderlich sind, ins Ausland verschoben. Diese Strategie birgt auch das Risiko, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Was die Pandemie jedoch klar gezeigt hat, ist die Wichtigkeit einer heimischen Produktion von «Basisprodukten». Es wird laut Herrn Arvai nie möglich sein, die Produktion «ins Homeoffice zu schicken», das wird auch die mittlerweile allgegenwärtige KI nicht können.
Für Herrn Arvai war die Pandemie von wenig Bedeutung, was sein Arbeitsplatz betrifft, denn er hatte sich kurz vor der Pandemie schon für eine Homeofficestelle beworben. Seitdem arbeitet er 100 % von Zuhause. Früh morgens kommuniziert er mit der Abteilung in China, am Abend mit Los Angeles. Zwischendrin wechselte auch der Chef! Den Neuen hat er nach 1 ½ Jahren noch nicht persönlich zu Gesicht bekommen. Auch hier spiegelt das Homeoffice die von Herrn Ferraro hervorgehobenen Mängel wider. «Das Team», wie Herr Arvai betont, könne verloren gehen, welches doch auch schlussendlich eine Firma wie La Roche zu dem machte, was sie ist.
«Ich habe das Gefühl, dass eine Zeit mit grossen Herausforderungen auf unsere Branche zukommt. Es wird sich zeigen, wie gut die Firma, aber auch die Branche, respektive der Standort Schweiz darauf vorbereitet ist und die Probleme anpacken kann», sagt Herr Arvai doch zusehends nachdenklich zum Abschluss.
Eine Zukunft voller Herausforderung
Die Pharmaindustrie wird auch nach der Pandemie auf Home-Office setzen, wobei mehrheitlich ein Hybridmodell angestrebt wird. Dies ermöglicht zwar ein flexibles Arbeiten und besseres persönliches Management, aber das soziale Büroleben leidet darunter. Allerdings sind Produktions- und Labortätigkeiten oft ausgenommen, da sie nicht im Home-Office durchgeführt werden können. Pharmaunternehmen müssen sich anpassen, um sich optimal auf das Leben nach Covid vorzubereiten. Jedoch führt dieses Modell zu einem höheren Risiko für Auslagerung, welchem die Arbeitnehmer ausgesetzt sind.
Image: Dall-E promt: “A person working in Home-Office, viewed from behind in a dark room”
Sources:
https://kops.uni-konstanz.de/server/api/core/bitstreams/a556f391-d013-465d-8bfd-7473824cc896/content
https://blog.gfos.com/workforce/homeoffice-produktivitaet-studie
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